Selbstwirksamkeit und Stärkung in unsicheren Zeiten
In meiner aktuellen Videoserie befasse ich mich mit einem Modell, das hilfreich sein kann für die Beschäftigung mit stabilisierenden Faktoren in unsicheren Zeiten.
Hinter uns liegen bereits zwei Jahre einer Pandemie mit vielen Einschränkungen, sozialer Abstinenz und Ängsten. Aktuell führt die geopolitische Lage zu einer Verschärfung dieser Empfindungen.
Wie bereits in meinem Blogartikel zu Stephen Covey erläutert, ist es gerade in solchen Zeiten wichtig zu erkennen, welche Gestaltungsmöglichkeiten wir im Umgang mit derart herausfordernden Situationen haben. Ein mögliches Modell bieten die „5 Säulen der Identität“ nach Hilarion Petzold.
Hilarion Petzold ist ein deutscher Psychologe, der mit seinem Modell eine Möglichkeit geschaffen hat, mit der wir durch subjektive Einschätzung und Selbstwahrnehmung eine Idee entwickeln können, wie unsere Identität gestärkt werden kann.
Petzold geht dabei davon aus, dass unsere Identität, also unser Selbst – die Antwort auf die Frage „wer bin ich?“ – auf fünf Säulen fußt, von denen sie wie ein Dach getragen wird.
Diese Säulen bieten uns Ressourcen, schwierige Situationen, Belastungen und Krisen gut zu überstehen. Dabei steht jede Säule für einen Lebensbereich.
Dieses sind:
- Arbeit / Leistung
- Soziales Netz
- Sicherheit (materiell)
- Körper / Gesundheit
- Werte / Sinn
Bei jedem Menschen sind die jeweiligen Säulen unterschiedlich stark befüllt. Das hängt selbstverständlich auch von dem Lebenszyklus ab, in dem wir uns in der aktuellen Betrachtung befinden.
Idealerweise sind die Säulen derart stark ausgeprägt, dass sie das Dach der Identität tragen können. Das setzt keineswegs unbedingt voraus, dass alle Säulen gleich stark sind, jedoch sollten zumindest zwei bis drei Säulen in der Lage sein, unsere Identität zu tragen.
Ziel bei der Arbeit mit diesem Modell sollte es sein, alle Säulen zu befüllen, um dauerhaft eine gute innere Stabilität durch eine ausgeglichene Verteilung der Säulen in unserem Leben zu erreichen. Ist dies nicht der Fall oder bricht eine tragende Säule weg, wie bspw. durch Krankheit, Trennung usw. kann dies zu einer Krise führen. Dabei ist zu beachten: je tragender die Säule war, die weggefallen ist, umso intensiver erleben wir die Krise.
Wenn wir uns mit der Bedeutung der Säulen beschäftigen, werden wir feststellen, in welchem Bereich wir möglicherweise „Nachholbedarf“ haben. Das bedeutet, dass wir vielleicht den einen oder anderen Lebensbereich etwas vernachlässigt oder auch bislang gar nicht beachtet haben. So entwickeln wir einen Blick für Möglichkeiten, an welcher Stelle wir nachjustieren oder auch unseren Fokus hin verlegen können, um psychisch stärker und stabiler durch unwegsame Zeiten zu gehen.
Aber nun genauer.
Die Säule „Arbeit und Leistung“ wird in unserer Gesellschaft besonders betrachtet und in den Fokus gestellt. Sie umfasst Fragen des Erfolges, der beruflichen Gestaltung und des Wirkens. Für viele Menschen wird gerade die Arbeit sowie erbrachte Leistung eng mit Wertschätzung und Anerkennung verknüpft.
Und ist es nicht genau dieser Bereich, der uns immer wieder vor neue Herausforderungen stellt, uns aus der Komfortzone lockt und mit seiner Schnelligkeit und Flexibilität anstrengt?
Achtung: Auch Hausarbeit als Schwerpunkt der täglichen Befassung fällt in diese Säule. Es geht tatsächlich nicht darum, womit ich mein Geld verdiene, sondern wobei ich tagtäglich meine Leistung erbringe.
Fragt Euch doch mal:
- Was befindet sich in Eurer Säule?
- Macht es Euch Freude? Und wenn ja, was genau?
- Was erfüllt Euch besonders?
- Wovon würdet Ihr gern mehr in dieser Säule machen?
- Was sind Eure weiteren Ziele?
Bei der Säule „Soziales Netz“ geht es um die Verbindung zu anderen Menschen, die wir aktiv leben und gestalten. Das können Freunde, Familie, Bekannte, Kollegen, etc. sein. Diese Menschen können uns möglicherweise in schwierigen Zeiten unterstützen. Sie schaffen für uns Bezogen- oder Zugehörigkeit und wir fühlen uns nicht einsam, sondern verbunden.
- Wer sind Eure Vertrauten?
- Wen könnt Ihr auch nachts anrufen und um Hilfe bitten?
- Bei wem könnt Ihr Ihr selbst sein?
- Von wem erhaltet Ihr Anerkennung und Zuspruch?
- Mit wem könnt Ihr humorvoll und ausgelassen sein?
- Bei wem fühlt Ihr Euch zugehörig?
Eine Säule, die bei meinen Coachees und Kunden immer mehr Aufmerksamkeit erfährt, ist die „des Körpers / der Gesundheit“. Ihr kennt ja den Spruch: mens sana in corpore sano. Wir spüren häufig bereits in unserem „Bauchgefühl“, wenn etwas nicht stimmt. Unsere Haare liegen einfach nicht, wenn eine Erkrankung im Anmarsch ist. Unser Herz rast bei Aufregung, aber auch Freude.
- Was magst Du besonders an Deinem Körper?
- Treibst Du regelmäßig Sport oder bist Du in Bewegung?
- Wie ernährst Du Dich?
- Gibt es in Deinem Leben ausreichend Ruhe- und Erholungszeiten?
- Schläfst Du tief und lang genug?
- Wie pflegst Du Deinen Körper und Deine Seele?
- Wobei entspannst Du am besten?
- Nimmst Du Dir Zeit für Dich?
Besonders häufig treten aktuell Sorgen um Jobverlust und Finanzen auf. Diese sind von der Säule „Sicherheit (materiell)“ erfasst. Finanzielle bzw. materielle Sicherheit beschreibt ein Grundbedürfnis nach existentieller Absicherung. Natürlich ist es sehr individuell, wie viel Geld Ihr für Eure persönlich empfundene materielle Sicherheit benötigt. Und das hängt bestimmt auch von Euren jeweiligen Verpflichtungsstrukturen ab.
- Was bedeutet Dir materielle Sicherheit?
- Hast Du schon einmal Deine monatlichen Fixkosten mit den entsprechenden Einnahmen abgeglichen?
- Was sichert Dich finanziell ab?
- Gibt es Dinge, auf die Du verzichten könntest?
- Wer in Deinem Umfeld könnte Dich in Finanzfragen beraten?
- Hast Du Wünsche oder Ziele, die Du Dir noch erfüllen möchtest?
Die fünfte Säule befasst sich mit „Werten / Sinn“. Früher haben sich die meisten Menschen die Sinnfrage erst im letzten Lebensdrittel gestellt, heute erleben wir das bereits bei den Jugendlichen. Egal wie alt wir sind, Werte und Sinn geben uns Orientierung für unser Tun. Wenn wir gefordert sind, Entscheidungen zu treffen, können sie uns Halt und Sicherheit geben. Sie beschreiben unsere Richtung und unser Sein und tragen uns häufig durch Krisenzeiten.
- Welche Werte sind Dir besonders wichtig?
- Lebst Du Deine Werte?
- Erkennst Du einen Sinn in dem, was Du tust?
- Hast Du Dir die Frage nach dem „Wofür“ schon mal gestellt?
- Wie möchtest Du gern sein und gesehen werden?
- Wofür engagierst Du Dich?
- Was ist Dir wichtig im Leben?
- Umgibst Du Dich mit den „richtigen“ Menschen?
- Was macht Dich aus?
- Woran glaubst Du?
Vielleicht hast Du Dich jetzt mit Deinen fünf Säulen näher beschäftigt. Vielleicht hast Du sie sogar aufgemalt und visualisiert?
Was ist Dir aufgefallen? Bist Du überrascht? Gibt es eine Säule, die Du voller erwartet hast? Oder umgekehrt?
- Welche Deiner Säulen gibt Dir besonders viel Kraft und Stabilität?
- Welche Säule möchtest Du künftig stärker in den Fokus nehmen?
- Welche Säule möchtest Du ausbauen und stärken? Womit?
Ich freue mich sehr, wenn ich Dich mit diesem Modell ein Stück weit auf Deiner Reise begleiten durfte und vielleicht hast Du so auch den einen oder anderen Handlungsimpuls bekommen, der Dir Kraft und Zuversicht vermittelt? Umso besser.
Bei Fragen melde Dich jederzeit gern. Ich freue mich, von Dir zu hören oder lesen.
Und denk immer daran: Egal, welches Ergebnis bei Deiner Betrachtung entstanden ist. Der Weg ist das Ziel und beginnt mit dem ersten Schritt!
In diesem Sinne,
Go for it,
Deine Krisenmanagerin
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