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Kennen Sie diesen Spruch „lebe jeden Tag, als wäre es Dein letzter“ auch? Ich frage mich immer wieder, wie das gehen oder konkret aussehen soll. Wie fühlt sich denn ein letzter Tag an? Haben Sie sich schon mal gefragt wie das geht?

Seit 8 Jahren befinde ich selber mich im Palliativstatus. Regelmäßig werde ich gefragt, ob ich denn nun etwas an meinem Leben oder meiner Lebensführung geändert hätte. Sicher hätte ich selbiges doch auf den Kopf gestellt. Meine Antwort? Nein.

Dabei bin ich mir gar nicht sicher, ob meine kurze Antwort stimmt. Faktisch habe ich nichts geändert. Ich bin immer noch glücklich verheiratet, lebe meine Hobbys und Interessen und gehe meiner Berufung nach: dem Krisen- & Konfliktmanagement. Nach wie vor nimmt Letzteres circa 80 Wochenstunden ein und ich gehe darin auf.

Weiterhin verbringe ich meine Zeit mit Freunden, im Garten, bei meinem Ehrenamt im Theater oder auch allein. Und genieße mein Leben. Wie vorher. Ich verbiete mir nichts und gönne mir vieles. Somit habe ich zumindest faktisch also nichts geändert.

Aber lebe ich jeden Tag, als wäre es mein letzter? Nein.

Ich weiß auch gar nicht, wie das geht. Wüßte ich, dass morgen mein letzter Tag wäre, wäre ich vermutlich derart überfordert mit der Frage, was ich denn nun mit dieser geschenkten und gleichzeitig begrenzten Zeit machen könnte, dass ich relativ untätig bliebe. Vermutlich würde ich mir einen Kaffee nehmen, mich aufs Sofa setzen und warten. Oder noch schnell die Wäsche zusammen legen? Vielleicht ein paar Notizen für meine Lieben machen? Das eine oder andere Telefonat führen? Meinen Herzensmenschen meine Liebe bekunden? Keine Ahnung.

Was macht man an so einem Tag?

Oder ist diese Aussage anders gemeint? Habe ich vielleicht doch etwas an meinem Leben geändert? Vielleicht ist ja auch gar nicht unbedingt etwas Faktisches gemeint, sondern eher die Lebenseinstellung beziehungsweise meine Haltung?

Beispielsweise gehe ich nie im Streit ins Bett. Ich fahre auch nicht auf eine Dienstreise, ohne dass zu Hause „alles gut“ ist. Über viele Dinge, die mich früher genervt oder gestresst haben, rege ich mich auch nicht mehr auf. Ist das gemeint? Oder hat das mit meinem Alter und meiner Lebenserfahrung zu tun?

Seit jeher bin ich ein Mensch, der sehr aktiv ist, intensiv lebt, vieles ausprobiert und mutig sowie positiv nach vorn geht. Das ist nicht neu. Bin ich diesbezüglich vielleicht bewusster geworden?

Bestimmt kann ich mich nun besser in Krisensituationen anderer Menschen einfühlen. Habe ein neues oder erweitertes Bewusstsein. Aber kennzeichnet das meinen letzten Tag? Mein „neues“ Leben? Ich glaube nicht.

Vielleicht ist dieser Spruch auch schneller daher gesagt als durchdacht?

Wenn ich mir jeden Tag vorstellen soll, dass dies mein letzter sein könnte, den ich nun also genießen soll… möchte ich regelmäßig mit der Endlichkeit konfrontiert werden? Ist es nicht schöner, einfach sein Leben zu genießen mit Allem, was dazu gehört, also auch Höhen und Tiefen? Die Wellen der Emotionen zu surfen? Oder ist es genau das, was damit gemeint ist? 

Also wenn dem so ist, dann tue ich das: ich lebe jeden Tag, als wäre es mein letzter. Aber dieser Spruch fühlt sich für mich immer noch komisch an. Und ich bin davon überzeugt, dass den jemand erfunden haben muss, der sich noch nicht intensiv mit dem Tod auseinander gesetzt hat.

Aber jetzt fällt es mir ein. Eine Sache hat sich doch geändert. Ich bin dankbarer und demütiger geworden. Dankbar für mein Elternhaus, meine Lieben, mein Leben und mein Glück. Und demütig. Vor genau denselben Dingen. Und dem Leben.

Haben Sie auch schon einmal über den Spruch „Lebe jeden Tag, als wäre es Dein letzter!“ nachgedacht und sich gefragt, wie das geht? Welche Ideen sind Ihnen dazu gekommen?

Ich freue mich auf Ihre Nachricht.

In diesem Sinne,

Go for it, Ihre Krisenmanagerin